Retrospektive Kathryn Bigelow

Diverses 3. April 2025

Die Cinémathèque suisse zeigt eine Retrospektive der Spielfilme der ersten oscarprämierten Regisseurin in der Geschichte der Actionfilme, Kriegsfilme und Thriller mit vielen Stars, darunter Jessica Chastain, Sean Penn, Harrison Ford, Jamie Lee Curtis, Ralph Fiennes, Keanu Reeves, Patrick Swayze und Willem Dafoe, sowie einen bislang unveröffentlichten Dokumentarfilm über ihre Karriere.

Kathryn Bigelow, postmoderne Pionierin

Für Kathryn Bigelow sollte ein Film gefallen, verführen, aber auch einen Inhalt haben und tiefgründige Fragen aufwerfen. Als geerdete und zugleich avantgardistische Künstlerin treibt Bigelow die Grenzen der traditionell männlichen Filmgenres – Action-, Kriegs- und Horrorfilme, Western und Thrillers – bis zum Äussersten und spielt mit deren Stereotypen, indem sie sie ausschöpft und neu definiert.

Nach ihren Anfängen in einem eher «Arty Cinema» entwickelte sie sich in Richtung Mainstream und dann zu einem direkteren politischen Kino (Zero Dark Thirty, Detroit). Als Liebhaberin von B-Movies erfand sie die Biker-Filme (The Loveless), Vampirfilme (Near Dark), Surffilme (Point Break) neu. Mit Blue Steel übernahm sie die Codes der Kriminalfilme und kehrte die Konventionen des Genres um, indem sie eine weibliche Protagonistin ins Zentrum des Films stellte.

In einem willentlich gewählten Paradoxon zwischen populärem Kino und Autorenkino, hinter scheinbar konventionellen Plots, transformiert und hybridisiert die Filmemacherin klassische Narrative und Erzählstrukturen. Sie untersucht die Dynamik einer vorwiegend männlichen Welt, die hoffnungslos von der Logik des Wettstreits, der Macht, der Dominanz und des Opfers geprägt ist (Point Break K-19: The Widowmaker, The Hurt Locker). Die stark von Sam Peckinpah beeinflusste Bigelow beschreibt The Wild Bunch (1969) (auch 1997 in Locarno) wiederholt als den Schlüssel zu ihrem Werk, das von Gewalt geprägt ist – einem wesentlichen Element in ihren Filmen.

Bigelow wurde 1951 in Kalifornien geboren. Sie durchlief eine Ausbildung an der Kunsthochschule in San Francisco und trat während ihres Filmstudiums in New York dem Kollektiv für konzeptuelle Kunst, Art Language, bei. Zunächst als Malerin und bildende Künstlerin tätig, zeigt sie in ihrem Werk eine ästhetische Dimension, die Raum für Experimente lässt und einen starken visuellen Ansatz aufweist: Die visuellen und akustischen Elemente verstärken die erzählerische Spannung und den Charakter der Figuren. Bigelow arbeitet unablässig an narrativen Mustern und den Möglichkeiten, diese darzustellen. Sie zerlegt und verbindet Formen und Inhalte und erkundet kritisch und spektakulär die amerikanisch-ikonografische Vorstellungswelt.

Oft wird Bigelow als die Kriegerin von Hollywood mit testosterongetränktem und virilem Kino etikettiert und vor allem als «Ex» von James Cameron und erste weibliche Filmemacherin definiert, die den Oscar für die beste Regie (mit einem Kriegsfilm) gewann. Doch sie stösst sich an jeder sexistischen Kategorisierung und kämpft dagegen an: «Ich halte nicht viel vom Konzept eines weiblichen oder männlichen Films. Für mich gibt es in erster Linie Filmschaffende. () Ausserdem ist es vielleicht ein Klischee, Actionfilme als männlich und intimere Filme als weiblich zu betrachten – ein Klischee, das es zu durchbrechen gilt. Daran arbeite ich.»

Indem sie das hollywoodsche System von innen heraus destabilisiert und herausfordert, stellt Kathryn Bigelow das (filmische und identitätsbezogene) Genre, unsere Beziehung zur Welt, zum Menschsein und unsere moralischen Dilemmas in Frage und zieht die ethischen und physischen Grenzen des Films neu.

Chicca Bergonzi

Jessica Chastain dans "Zero Dark Thirty" de Kathryn Bigelow