Der unsichtbare Film

Diverses 24. August 2020

Am 13. März erloschen die Filmprojektoren der Cinémathèque suisse und die Säle wurden geschlossen. Das für März und April geplante Programm wurde abrupt unterbrochen, und viele Veranstaltungen mussten abgesagt werden. So auch die Abbas-Kiarostami-Retrospektive, die Hommage an Claire Denis, die Vorpremiere der Filme von Pietro Marcello und Basil Da Cunha und die William-Friedkin-Retrospektive. Plötzlich verlagerte sich die Show von der Leinwand auf die Bildschirme. Einerseits mit den regelmässigen Pressekonferenzen der Regierung und der Bundesämter, andererseits mit der explosionsartigen Ausbreitung des Streamings. Auch wir stellten innert Kürze ein Online-Angebot auf die Beine, das jede Woche den kostenlosen Zugang zu Filmen ermöglichte, die uns besonders am Herzen liegen, darunter kürzlich durchgeführte Restaurierungen von Charles mort ou vif von Alain Tanner, Grauzone von Fredi M. Murer, Le Grand Soir von Francis Reusser (der uns kurz zuvor verlassen hatte) und L’Inconnu de Shandigor von Jean-Louis Roy (ebenfalls im vergangenen Frühjahr verstorben). Ausserdem boten wir jede Woche restaurierte Kuriositäten aus unseren Beständen an, wie beispielsweise die naturverbundenen Werbefilme für Ovomaltine und für die Farbstifte von Caran d’Ache. Voller Zuversicht stellten wir dann ein Programm für die Monate Mai und Juni auf. Sie wären in eine King-Vidor-Retrospektive eingetaucht, hätten eine Hommage an die kürzlich verstorbene Tessiner Produzentin Tiziana Soudani und die für das Kino adaptierten Krimis von Georges Simenon und Sir Arthur Conan Doyle (Sherlock Holmes) sehen können, und wir hätten Alain Cavalier und Marcel Schüpbach bei uns willkommen geheissen. Wir verfassten sogar einen Newsletter wie den, den Sie jetzt gerade lesen, mit der Nummer 307. Die Ausgabe wurde jedoch nicht gedruckt. Deshalb werden alle, die unsere Programme sammeln, von 306 auf 308, das heisst, von März auf … September 2020 springen müssen. Als hätte sich ein unsichtbarer Film – wie dieses berühmte Virus – während mehrerer Wochen über uns ausgebreitet, Wochen, in denen wir alle notwendigen Massnahmen ergriffen haben, um die Sicherheit unserer Mitarbeitenden zu gewährleisten und nun auch jene unserer Zuschauerinnen und Zuschauer, die wir nach mehr als fünfmonatiger Schliessung – nicht ganz emotionslos – wieder bei uns begrüssen dürfen. Zu den Neuerungen anlässlich der Wiedereröffnung gehören die Sitzplatznummerierung, die Vorführungen um 18.30 Uhr, die manchmal 30 Minuten früher stattfinden (im Programm rot markiert) und ein Online-Ticketing-System, das wir Ihnen sehr empfehlen, damit Sie sich direkt in den Kinosaal begeben können. Wir öffnen unsere Säle also heute wieder, in der Hoffnung, dass Sie wiederkommen, um die Filme, die wir anbieten, zu entdecken und die Persönlichkeiten zu treffen, die wir eingeladen haben, insbesondere den grossen Fredi M. Murer, der am 1. Oktober seinen 80. Geburtstag feiert. Manche seiner Filme passen perfekt zur Reflexion über unsere «neue Normalität». Und seien Sie versichert, die meisten Zyklen, Retrospektiven, Hommagen und Veranstaltungen, die wir diesen Monaten der Unsichtbarkeit geplant hatten, werden bald auf unsere Leinwände zurückkehren.
Frédéric Maire, Direktor der Cinémathèque suisse
→ Download des Bulletins September und Oktober 2020
→ Online Programm

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