Das Capitole von 1928 bis heute

Ausstellungen 10. Mai 2022

Die Geschichte des Capitole ist auf einem fünfzehn Meter langen Band dargestellt, das kürzlich unweit der Baustelle zur Renovierung des berühmten Lausanner Kinosaals aufgespannt wurde. Diese Installation illustriert in Wort und Bild die Veränderungen dieses einmaligen Ortes, der von seinen verschiedenen Architekten und Besitzern, seinen Stars und seinem Publikum geprägt wurde.

Bereits 1925 keimt in den Köpfen von drei Geschäftspartnern der Plan, einen «grossen Saal für Kino und Konzert» zu schaffen. Ihr Traum wird 1928 mit dem Bau des Kinos Capitole verwirklicht, einem riesigen Flaggschiff aus Ziegelsteinen und Beton entlang der Avenue du Théâtre in Lausanne. Das mit einem neuartigen Heizungs- und Belüftungssystem ausgestattete «Capitole-Théâtre» mit seinen 1077 Plätzen wird in weniger als sechs Monaten errichtet. Kosten: eine Million Franken. Am 29. Dezember 1928 wird es im Rahmen eines Galaabends mit der Vorführung des Stummfilms La Conquête dramatique du Cervin (Die dramatische Eroberung des Matterhorns) feierlich eingeweiht. Der Saal beeindruckt durch seinen Komfort, die Raffinesse seines Dekors und den Empfang durch uniformiertes Personal. Am 18. April 1930 wird der erste Ton- und Sprechfilm gezeigt. Der Saal mit Orchestergraben, Orgel und den Künstlerlogen ist vielseitig nutzbar und dient auch der Tänzerin Anna Pavlova, dem Clown Crock und dem Dirigenten Ernest Ansermet als Bühne. Am 1. Juni 1946 sorgt Jean-Paul Sartre mit seinem Vortrag über den Existenzialismus für einen vollen Saal. 1949 kauft der in Genf ansässige Luxemburger Konditor Matthias Köhn das Capitole. Am 1. August stellt er die junge Jurassierin Lucienne Schnegg ein, die sieben Jahre später zur Geschäftsführerin aufsteigen wird.

In den 1950er-Jahren werden zwei Architekten am Gebäude tätig: Zunächst Ferdinand Jacques Meyrat, der den Eingang erweitert und 1951 eine Überdachung und eine zentrale Kasse einrichtet. 1959 wird Gérald Pauchard mit der Neugestaltung des Capitole beauftragt: An der Fassade werden Lichtsäulen und das Schild «Capitole» angebracht, im Innern ersetzen Murano-Leuchter die Art-déco-Lampen, der Barbereich wird dem damaligen Geschmack angepasst; der grosse Saal wird zur Verbesserung der Akustik mit Stoff bespannt und die grauen Sitze werden durch blaue Sessel ersetzt. Die innovativen Veränderungen sind auch technischer Natur: Die neue Panoramaleinwand ist die erste ihrer Art in der Schweiz. Am 18. September findet der Eröffnungsabend mit Cinémascope-Vorführungen statt..

In den 1960er-Jahren verzeichnet das Capitole einen Erfolg nach dem anderen: Nach West Side Story (1961) bleibt Der längste Tag (1962) einen Monat im Programm, gefolgt von Mary Poppins (1964). Am 24. Oktober 1966 findet die Vorpremiere des Films El Greco statt, in Anwesenheit des Schauspielers Mel Ferrer und seiner Gattin Audrey Hepburn. 1978 hält Dolby Stereo im Capitole Einzug, und im Dezember wird das 50-Jahre-Jubiläum des ehrwürdigen Hauses mit einem Filmtag gefeiert, bei dem auch Once Upon A Time In Hollywood (1974), der Dokumentarfilm über MGM, gezeigt wird. 1981 gibt es neue rote Sessel – in einer Zeit, die vom Tod von Matthias Köhn überschattet wird. Lucienne Schnegg ist nun allein für das Capitole zuständig. 1996 verschuldet sie sich, um den Saal zu kaufen, den sie um keinen Preis verkaufen will: Sie möchte nicht miterleben müssen, wie «ihr» Kino von Baulöwen zerstört wird.

2010 tritt «La petite Dame du Capitole» ihr Kino schliesslich an die Stadt Lausanne ab, die sich zu dessen Erhaltung verpflichtet. Die Stadt überträgt die Verwaltung des Kinos der Cinémathèque suisse, die bis Dezember 2019 in Anwesenheit zahlreicher Gäste Filmkonzerte, Vorführungen grosser restaurierter Klassiker und Vorpremieren organisiert. In der Zwischenzeit gewinnt das Büro architecum 2015 den Wettbewerb für die Renovierung des Gebäudes. Vorgesehen sind unter anderem ein zweiter Saal mit 140 Plätzen im Untergeschoss, ein Kaffee und eine Boutique im Obergeschoss. Nach der öffentlichen Auflage des Projekts und der Gründung der Stiftung Capitole im Jahr 2019 wird die Baubewilligung erteilt, die Sessel werden zum Verkauf angeboten. Im März 2021 ist offizieller Baustart. Das Gebäude wird konsolidiert und die Grabungsarbeiten für den zweiten Saal mit Foyer beginnen. Nun sind die Arbeiten zur Renovierung der Innenräume und der historischen Elemente im Gange. Das Capitole wird ab 2024 als «Maison du cinéma» unter der Schirmherrschaft der Cinémathèque suisse ein umfangreiches Programm mit Filmen von heute und gestern anbieten.

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© Cinémathèque suisse
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© Samuel Rubio
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"Destination...Lune!" von Irving Pichel (1950)
wenders
© Carine Roth